by

„Twitter first“-PR bei Sky

Foto Prof. Wolfram Winter - Sky-Komm. chef

Am 9. April sorgte Sky-Kommunikationschef Prof. Wolfram Winter für Erstaunen in der Medienbranche. Über Twitter ließ er seine Follower wissen, dass Sky in Deutschland und Österreich auch in den kommenden fünf Jahren live und exklusiv vom Grand-Slam-Turnier in Wimbledon berichten wird:

 

So weit, so unspektakulär. Die eigentliche „Überraschung“ für Medien- und PressevertreterInnen: Die offizielle Pressemitteilungen folgte erst nach dem Tweet! „Twitter first“ lautete also in diesem Fall die Devise. medienrot sprach mit Prof. Wolfram Winter darüber, wie Twitter bei Sky in die Kommunikationsstrategie integriert wird und warum sich das Zwitschern auch für andere Unternehmen lohnt.

Nicole Storch: Tweets noch vor der offiziellen Pressemitteilung abzusetzen, führt zu Erstaunen in der Medienlandschaft und sorgt für Berichterstattung. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Prof. Wolfram Winter: Twitter als solches ist zwar bekannt, jedoch sprechen wir immer noch von einem wachsendes Nischenmedium – zumindest in Deutschland. Das Potenzial, darüber qualifizierte Kommunikation zu machen, wird jedoch mehr und mehr erkannt und auch genutzt. Es geht zusehends weniger um Belanglosigkeiten und immer stärker um Substanz – und das scheint mir ein Trend zu sein, der auch nicht mehr umkehrbar ist.

Welches Feedback bekommen Sie auf Ihre Tweets?

Prof. Wolfram Winter: Bis jetzt hab ich jegliche negative Response vermissen dürfen. Möglicherweise hat das auch mit unserem strategischen Ansatz und meiner persönlichen Vorbereitung zu tun. Ich habe Twitter insgesamt über ein Jahr beobachtet, da ich erst verstehen wollte, wie man es am besten nutzen kann. Ich wollte für mich definieren: Was mache ich dann konkret damit? Und ich hatte – gemeinsam mit den Kollegen hier im Haus – von Anfang an eine Gesamtstrategie im Kopf. Zudem habe ich mich bewusst redaktionell so aufgestellt, dass ich meine Aktivitäten mit zwei Kollegen abstimme. So schütze ich mich auch davor, irgendeinen Blödsinn von mir zu geben.

Gutes Stichwort! Was passiert bei Ihnen, bevor auf den Twittern-Button gedrückt wird?

Prof. Wolfram Winter: Als redaktionelle Basis dient unser Wochenplan, der natürlich durch die Tagesaktualität auch gerne jederzeit über den Haufen geworfen werden darf. Bei aller Planung ist Twitter ein Echtzeitmedium, und insbesondere wenn man diese Eigenschaft gezielt nutzt, entsteht sehr schnell Traffic. Wir haben auch verschiedene Mechanismen, wie wir die Accounts im Haus miteinander verknüpfen, damit sie sich gegenseitig stärken. Dahinter steht ein redaktionelles Konzept samt einer wöchentlichen Redaktionssitzung, welche inzwischen Kollegen aus dem gesamten Unternehmen – vom Reporter oder Redakteur bis ins Management – einbezieht. Ich bin in diesem Orchester derjenige, der vor allem in Sachen Corporate News aktiv ist, aber eben nicht nur staubtrocken mit dem Thema umzugehen versucht.

Wir passen übrigens auch die Sprache an: Ich habe mich bewusst dazu entschieden, meinen Account nur auf Englisch zu halten. Andere Accounts wiederum sind ausschließlich auf Deutsch – so sprechen wir eine breitere Followerschaft an und erzielen eine stärkere Vervielfältigung der Botschaften.

Insgesamt ist Sky sehr aktiv bei Twitter. Wen erreichen Sie damit?

Prof. Wolfram Winter: Wir hatten von Beginn an ein Konzept, welche Follower wir mit welchem Account zu erreichen versuchen. Für meinem Account (@WolframWinter) hatten wir das Ziel, dass gerade Journalisten, qualifizierte Meinungsmacher und Blogger diesem folgen. Das ist mir bisher sehr gut gelungen. Teilweise war ich sogar etwas überrascht, dass es dann so gut funktionierte.

Dass man mit Twitter letztendlich unglaublich schnell, ähnlich wie in einem legalisierten Schneeballsystem, agieren kann, das ist diese Büchse der Pandora, die wir bewusst geöffnet haben. Bei Twitter hat man jedoch die Gewissheit, dass die Journalisten, die einem folgen und dementsprechend mit Botschaften konfrontiert werden, sich dazu freiwillig entschieden haben und sich ja auch jederzeit wieder davon abwenden können. Es ist also eine wesentlich positivere, konstruktivere Kommunikation. Darüber hinaus stellen wir fest, dass wir über eine klassische Kommunikation wie über eine Pressemitteilung allein, heute nicht mehr den Druck aufbauen können, den wir über Twitter erreichen.

Hand aufs Herz: Wie schwierig war es, Twitter unternehmensintern als Teil der Kommunikationsstrategie zu etablieren?

Prof. Wolfram Winter: Da gab es keine Schwierigkeit. Bereits als wir vor gut zweieinhalb Jahren den Sportnachrichtensender Sky Sport News HD gegründet haben, haben wir von Anfang an festgelegt, dass hier verschiedene Social-Media-Elemente, wie unter anderem Twitter, grundlegend integriert werden. Und zwar so, dass auch alle Reporter, alle Redakteure, alle Moderatoren, und viele weitere Beteiligte, Twitter als ein aktives Kommunikationsmodul nutzen können. Wir wussten von dem damit verbundenen Risiko. Also haben wir Schulungen veranstaltet und Social Media Guidelines entwickelt. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass an irgendeiner Stelle etwas Falsches kommuniziert oder zu früh kommuniziert wird. Aber das liegt nun mal in der Natur der Sache, wenn man denn kommuniziert. Und wir wollen, dass jeder Mitarbeiter von Sky ein positiver Botschaftenträger ist. Das kann er aber nur dann sein, wenn er sich bewusst ist, dass er ein Kommunikator ist, egal, was auf seiner Visitenkarte steht. Vor diesem Hintergrund kann man zum passiven Verhinderungsmodul oder, wie im Fall von Twitter, zum aktiven Platzierungsmodul für qualifizierte Nachrichten greifen.

Bei welchen Themen gilt bei Sky „Twitter first“?

Prof. Wolfram Winter: Sie können da keine generelle Matrix drüberlegen, denn es ist von der Nachricht als solches abhängig. Wir erstellen jeweils eine Art Mediaplan, der sich stets am Thema definiert. Wir legen fest: Dieser Account geht mit der Nachricht zuerst raus, dann folgt jener, anschließend verschicken wir die Pressemitteilung, usw.

Zudem kann man thematisch über Twitter, gerade wenn man kurzfristig arbeitet, Dinge abbilden, die über klassische Medien nicht möglich sind. Und nicht zu vergessen: Die Kommunikation ist ja verhältnismäßig günstig.

Für welche Unternehmen, Organisationen und Themen lohnt sich die Kommunikation via Twitter Ihrer Meinung nach?

Prof. Wolfram Winter: Es gibt inzwischen eine wachsende Anzahl von Wirtschaftsjournalisten, die mit Twitter eine ganze Menge anzufangen wissen. Dementsprechend fällt mir kein Grund ein, warum zum Beispiel börsennotierte Unternehmen, die sowieso zur Kommunikation verpflichtet sind, das nicht für sich nutzen sollten. Gleiches gilt für Medienunternehmen, insbesondere Fernseh- oder Radiosender. Früher wurden exklusive Meldungen an Agenturen gegeben, die es vorab veröffentlicht haben. Und dann war die Freude über Zitate „Der Spiegel berichtet vorab …“ groß. Allerdings reagieren Agenturen vor allem auf namhafte Medien mit beträchtlicher Reichweite. Im Umkehrschluss heißt das also gerade für die Kleinen: Warum nicht twittern? Ich meine, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass es niemand aufnimmt. Aber außer der persönlichen Arbeitszeit bedarf es ja keinerlei Aufwendungen.

Wichtig ist, dass man diese Kommunikation systematisch betreibt und dran bleibt. Dann kann Twitter für jeden nichts anderes als ein Gewinn sein.

Das ist doch ein schönes Schlusswort, Herr Prof. Winter. Vielen Dank für das tolle Gespräch!

Über den Interviewgast:

Prof. Wolfram Winter - Sky-Komm.chefProf. Wolfram Winter (geboren 1963) ist seit Dezember 2010 Executive Vice President Communications bei Sky. In dieser Funktion ist der studierte Politologe und ausgebildete Journalist als Unternehmenssprecher für die Positionierung des Unternehmens in den Medien verantwortlich. Im Mai 2011 wurde Winter zum Professor im Studiengang TV-Management an der Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) berufen.

Über die Autorin:

Nicole Storch ist freiberufliche Autorin für Print und Online. Zuvor betreute sie als Redakteurin beim Egmont Ehapa Verlag zahlreiche Kinder- und Jugendzeitschriften. Während ihres Studiums der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK Berlin arbeitete sie bereits als freie Texterin für verschiedene Agenturen.