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Abgestumpft

Foto: Uwe Mommert, Landau Media 2015

Es tut weh, mit der eigenen Ignoranz konfrontiert zu werden. Irgendwie zuckt man darüber zusammen, wie weit die eigene Lebensgestaltung und Wahrnehmung doch von den eigenen Idealen entfernt sein können. Den letzten moralischen Ordnungsgong hat mir Meedia versetzt: In einem kurzen Artikel wird darauf hingewiesen, dass das Medienecho über den Rücktritt eines Fußballtrainers aus der ersten Bundesliga weitaus größer war als die Berichterstattung zu einer der zahlreichen menschlichen Katastrophen, die sich bereits seit Jahren vor der europäischen Haustür ereignen. 400 Menschen mussten den qualvollen Tod durch Ertrinken erleiden, weil sich keiner aus Europa für die Sicherheit dieser Flüchtlinge verantwortlich fühlt.

Warum sind wir so ignorant? Warum trauern wir nicht, wenn Menschen, die unsere Hilfe brauchen und nicht viel mehr wollen als ein Dach über dem Kopf und Essen im Bauch, die Suche nach diesen Grundlagen eines menschlichen Daseins mit dem Leben bezahlen? Wo ist der Aufschrei der Medien, die uns vor Augen hält, dass Wohlstand auch etwas mit Verantwortung zu tun hat?

Nur wir und die Medien können in der derzeitigen Situation etwas ändern. Die Menschen, die draußen auf dem Mittelmeer jämmerlich ersaufen, müssen ein Gesicht und eine Stimme bekommen. Wenn wir es wirklich akzeptieren wollen, dass das Mittelmeer das Massengrab für Afrikaner wird, die einige Krümmel vom wohlgedeckten europäischen Tisch erbetteln wollen, dann ist Europa nur noch ein „Wirtschaftsraum“ aber keine „Wertegemeinschaft“ mehr. Was könnte die europäische Identität mehr fördern, als gemeinsam zu helfen. Was könnte sinnvoller sein, als anderen Menschen das Leben zu retten?

Wenn Journalisten nicht nur den moralischen Zeigefinger heben, wenn Steuern hinterzogen oder Tempolimits missachtet werden. Wenn Journalisten dahin gehen, wo es unangenehm und kontrovers werden kann, dann kann sich was ändern. Die „vierte Gewalt“ sollten denen auf die Finger klopfen, die Worte wie „christlich“, „sozial“ oder „solidarisch“ inflationär benutzen. Es ist Zeit, diese Begriffe mit Leben zu füllen und sie nicht im Gelaber von Talkshows vollständig zu entwerten. Ich wünsche mir, dass nach dem erneuten Tod von 800 Menschen nun die Berichterstattung über diese humanitäre Katastrophe erst wieder abhebt, wenn wirklich etwas getan wird.

Über den Autor:
andrea katheder für landau media, berlin 2013Uwe Mommert ist Vorstand für Vertrieb und Produktion der Landau Media AG. Darüber hinaus ist er begeisterter Web 2.0-Fan und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen.

 

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